Die gastfreundliche Haltung unserer bäuerlichen Bevölkerung ist sprichwörtlich. Dem Gast, der sich in der Stube niederläßt, wird neben Most auch Bier oder Wein angeboten - manchmal kommt dabei der Most an letzter Stelle. Liegt dem nicht ein gewisses Minderwertigkeitsdenken zugrunde? Es gibt aber gottlob doch immer wieder Bauern, die einem anläßlich eines Besuches ungefragt gleich ein Glas Most auf den Tisch stellen. Es ist dies ein deutliches Zeichen der Wertschätzung, die dem bodenständigen Getränk, dem bäuerlichen Erzeugnis, entgegengebracht wird. In diesem Zusammenhang möchte ich auf eine brauchtumsähnliche Gepflogenheit hinweisen. Jeder Gast, selbst ein unerwarteter oder fremder, wird nicht "zwischen Tür und Angel" empfangen, sondern stets in das Haus bzw. gleich in die Stube geleitet. Man bietet ihm einen Platz in Tischnähe an. Bevor das eigentliche Gespräch beginnt, ruft der Hausherr seine Frau oder ein Kind, um ein Glas Most aus dem Keller zu holen. Ist der Most serviert, hebt der Gast das Krügerl (oder Glas) dem Bauern entgegen und prostet ihm zu mit dem Wort: "G´sundheit!", worauf der Bauer mit "Sollst leben" antwortet. Und damit ist das "Eis", wie man sagt "gebrochen", man wird gesprächig und tauscht gegenseitig die verschiedenen Anliegen aus. Merkt nun der Gastgeber, daß sein Besucher genügend Zeit für weitere Gespräche zeigt, dann wird die inzwischen in der Küche vorbereitete Jause aufgetragen. Würde sich hierbei der Gast ablehnend verhalten, könnte dies zu einer Verstimmung führen. Geboten werden dabei in der Regel roher Speck oder das beliebte, gekochte Geselchte mit Schwarzbrot. Auch mit Wurstwaren wird die Bauernjause garniert. Bei diesem Jausnen legt der Bauer Wert darauf, zu hören, wie der Most mundet. Hier wiegen weniger die vielen Worte des Lobes, sondern mehr das Leeren einiger Krügerl Most! Zum Abschluß, kurz vor dem Auseinandergehen, gehört auch ein Stamperl selbstgebrannter Schnaps (Obstler oder Zwetschkener). Dann verläßt in froher Stimmung der reichlich bewirtete Besucher das gastfreundliche Haus. Die von den Ahnen übernommene Gepflogenheit: "Kommt zu dir ins Haus ein fremder Gast, gib's ihm so gut, als du es hast", bezieht sich nicht auf bestimmte Hofgrößen. Gastfreundschaft wird dem Besucher überall begegnen, wenn er nicht gar zu ungelegen kommt.