Der Boden

Der fruchtbare Boden und das hügelige Gelände boten gute Voraussetzungen für die Entstehung großer Mostwirtschaften. Wenn unser Landmann Seifried Helbling in seinen kulturhistorischen Betrachtungen, die er Ende des 13. Jahrhunderts verfaßt hat, vom "biremost" spricht, ist anzunehmen, daß der Obstmost im niederösterreichischen Mostviertel nicht mehr unbekannt war. Die Hausnamen wie etwa "Bierbaumer", "Unter- und Oberholzapfelberg", "Baumgartner" oder "Baumgartmayr", die teilweise bis ins 15. Jahrhundert, einzelne auch noch weiter zurückgehen, können gleichfalls als Beweise für einen früh vorhandenen Mostobstbau betrachtet werden. In der Barockzeit rühmte der Besitzer der Herrschaften Rohrbach (Weistrach) und Klingenbrunn (Haag), Wolf Helmhardt von Hohberg, in seinem Buch "Georgica curiosa" nicht nur den gesunden, kräftigen Trank, sondern auch die Pracht der blühenden Bäume. Aus den Kämmereirechnungen des Stiftes Seitenstetten vom Jahre 1714 ist ersichtlich, daß die Wirte in unserer Gegend für ihren Umsatz eine Art Getränkesteuer, den Taz, zu leisten hatten. Das Interesse des Fiskus am Mostverkauf wird in der einschlägigen Literatur gleichfalls etwa für diese Zeit nachgewiesen. Einige diesbezügliche landesfürstliche Verordnungen sind im NÖ Landesarchiv erhalten. Nach Mischler-Ulbrich soll der Ausschank von Most bereits seit dem Jahre 1568 versteuert (zwei Zehntel der Mostmenge) worden sein. Die Einführung dieser Art von Getränkesteuer ist wohl auf den steigenden Mostumsatz zurückzuführen, aber sicherlich auch zur Wahrung der gerechten Wettbewerbsbedingungen gegenüber dem Wein. So gab es zum Beispiel aus denselben Überlegungen in Melk um 1770 die Polizeiverordnung: "Leutgeben des Biern-Most. Weilen durch das Leutgeben des Biern Most in denen Wirts-Häusern der Abgang des Weins und Bier geschmälert wird alß solle vermög ergangenem herrschaftlichem Befehl solches Mostleutgeben hinführo wie vorhin verbotten, doch einer ganzen Bürgerschaft zu einem Hauß-Trunkh Biern-Most hereinzubringen erlaubt seyn." Damit erscheint erwiesen, daß dem Most der große Durchbruchgelungen war und dieser eine echte Konkurrenz für Wein und das Bier bedeutet hat.

Die Entwicklung

Im 18. Jahrhundert scheint der Most immer wieder in Übergabsverträgen auf. So ist im Ausgedingeüber- einkommen des Max Federhoffer an der Ertler Straße vom Jahre 1731 folgendes zu lesen: "die Freye Heerberg, und nahrung wie es khauffleute (d.h. wie es die Übernehmer) genießen, auf dessen Laibs leben lang, jährlich halben Mözen Korn, Viertel Waiz, ein Schoff (Schaf) in der Fuederey (d.h. er mußte am Hof ein Schaf kostenlos füttern können) und den 10ten Emmer Most" (d.h. wenn er 20 Eimer machte, den 10. und 20. Eimer dem Übergeber lassen). Demnach wurde zu dieser Zeit in unserer Gegend relativ viel Most gepreßt. Die anhaltende Nachfrage nach dem "Volksgetränk Most" und die Verordnung über die Neupflanzung von Baumalleen zur Zeit Maria Theresias vergrößerten in der Folge den Obstbaumbestand noch zusehends. Mit der zunehmenden Baumpflanzung weiteten sich auch hierzulande die Baumschulen aus. Wie in vielen anderen Sparten - zum Beispiel bei der Einführung des Kartoffelbaues im Stift Seitenstetten um 1620 waren es anfangs auch hier die Klostergärtner und Stiftsökonomen, die sich um die Obstbaumzucht bleibende Verdienste erworben haben. Aus ihren Baumschulen kamen die Reiser, sie förderten uneigennützig durch die Veredelung von Bäumen die Qualität des Obstes. Diesem blühenden Wirtschaftszweig verdankt unser Landesteil den Namen "Mostviertel". Die beginnende Industrialisierung des 19. Jahrhunderts und das Anwachsen der Orte verhalfen dem heimischen Getränk, dem vergorenen Obstmost - mancherorts scherzend als "Landessäure" bezeichnet - zur Hochblüte. Der Spruch "A Mosthaus - a guats Haus" ist auf einem Faß beim Eingang zum Niederösterreichischen.: Freilichtmuseum in Haag zu lesen; er hatte viele Generationen lang einen guten Klang. Die Landwirte transportierten früher den Most mittels eigener Mostladewagen bzw. -schlitten in die Gasthäuser. Die Fahrzeuge waren massiv gebaut, und mit Besitzervermerken versehen. Die Mostfuhrwerker mußten oft Strecken bis zu 30 Kilometer mit Pferdegespannen zurücklegen. Dabei war es keine Seltenheit, daß den Abnehmern wöchentlich eine Menge von 15 bis 20 Eimern (1 Eimer = 56 Liter) zugestellt wurde. Auch auf dem Wasserwege, wie zum Beispiel auf der Donau ab Wallsee, ging der Mostexport flußabwärts durchs Weinland bis nach Wien. Durch die Bahn oder durch die LKW-Lohnfuhrwerker gelangte später der Most in weit entfernte Gebiete, wie nach Wiener Neustadt, Neunkirchen oder ins Waldviertel. Als Hauptabnehmer aber galten damals die Gasthöfe in Steyr und viele Kundschaften aus den Bezirken Tulln und Gänserndorf.

Die Gegenwart

Wie mir mehrere Landwirte anläßlich einer Befragung übereinstimmend berichteten, konnten in den dreißiger Jahren die großen Mösthäuser in sehr guten Erntejahren bis über 2000 Eimer mit Most aus eigener Erzeugung füllen. In guten Durchschnittsjahren gab es bei mehreren Betrieben eine Fechsung (Ertrag) von 800 bis 1300 Eimern. Inzwischen hat sich bezüglich der Erzeugungsmenge und des Verkaufes vieles geändert. Das Mostgeschäft ist weit mühsamer geworden. Unsere Landessäure wird nicht mehr in großen Einheiten (Fässern) vertrieben, sondern in kleinen Mengen (in Kisten mit Flaschen) "vergreißelt". Anstelle der Wirte gelten heute die Privathaushalte als Hauptabnehmer und der Ausschank bei den "Mostheurigen"-Landwirten. Relativ gute Nachfrage kommt aus dem Grenzland westlich der Enns. Auch einzelne Bauern aus dem Traunviertel kaufen bei uns Mostobst ein, um es für den eigenen Haustrunk zu verarbeiten. Ausschlaggebend sind jedoch die Haushalte aus dem umliegenden städtischen Bereich wie Steyr, die regelmäßig den Most aus dem bäuerlichen Keller beziehen. Im Winter 1985 erzählte mir ein Bauer aus Behamberg, daß er und mehrere seiner Nachbarn auf diese Weise jährlich bis zu 500 Eimer Most an den Mann bringen. Natürlich trifft das nicht für viele Bauern zu. Überwiegend wird in Mosthäusern nur mehr jene Obstmenge gepreßt, die sie für ihren eigenen Bedarf (Haustrunk- und Schnapsbrennen) brauchen.