Wir Mostviertler verstehen unter "Most" folgende Sorten: den Süßmost frisch von der Presse - ein alkoholfreier und naturreiner Saft; den Birnenmost - der vergorene Saft aus Mostbirnen; er hält sich bis ins späte Frühjahr; den Mischlingsmost - der vergorene Saft aus Äpfeln und Birnen, der vom Spätherbst über den Winter bis zur neuen Ernte getrunken- wird, und den Apfelmost - aus reinem, vergorenen Apfelsaft und mehrjährig lagerungsfähig. Erfahrene Mostkenner wissen, daß neben dem Säure- und Alkoholgehalt Farbe, Geruch und Geschmack zur Erreichung des Prädikates "Qualitätsmost" in Ordnung sein müssen. Wer solches Getränk besitzt oder erwirbt, kann die Gewißheit haben, ein gesundes Getränk sein eigen zu nennen. Natürlich gibt es auch Neider unseres Mostes; sie bezeichnen die Bewohner des Mostviertels dann oft als "die Mostschädeln". Wir Mostviertler wissen - wie übrigens auch die Innviertler - diese Bezeichnung aber als ehrenden Beinamen einzustufen. Wie auf vielen Pressen der Most als Kraft und Freudenspender gepriesen wird, so findet man solche Aussagen auch in der alten medizinischen Literatur. Schon der griechische Arzt Dioskurides (1. Jahrhundert nach Christi Geburt) war ähnlicher Ansicht, und ein Naturheilkundler unserer Tage Richard Willfort - bezeichnet besonders den mehrjährigen Apfelmost als hervorragendes Heilgetränk. Jedenfalls übt der Most eine wichtige Funktion zur Aufbereitung der Speisen bei der Verdauung aus, besonders bei schwerer Kost. Erfahrene Ärzte unserer Gegend behaupten, daß guter Most weniger anfällig mache für Magen- und Darmleiden und daß dieses natürliche Getränk geradezu wohltuend sei für Blase und Nieren.
Nicht unerwähnt darf bleiben, daß unsere Landessäure auch in der Küche Eingang gefunden hat. Man denke an die verschiedenen Kochrezepte, bei denen Most anstelle von Wein zur Speisenzubereitung empfohlen ist. Manchen Gerichten verleiht ein Schuß Most erst den richtigen Geschmack und wird damit zur echten Gaumenfreude. Wenn heutzutage der Most nicht mehr in allen bäuerlichen Wirtschaften als der einzige "Haustrunk" angesehen wird, liegt es nicht etwa an einer etwaigen Qualitätsverschlechterung. Ein wesentlicher Grund für die Unterbewertung dieses bäuerlichen Produktes ist in den veränderten wirtschaftlichen Gegebenheiten zu- suchen. Die besseren Einkommensverhältnisse nach dem Zweiten Weltkrieg steigerten den Bier- und Weinkonsum auf Kosten des Mostes. Wirtschaftsgeschichtlich ist demnach der Mostkonsum zum Teil auch ein gewisser Maßstab für die Lebensverhältnisse der Bevölkerung. Durch die Billigangebote verschiedener Bierbrauereien und das erfolgreiche "Hausieren" der Weinbauern, für ihr Produkt bei uns private Verkaufsstellen einzurichten, begannen für den Most ab Hof Absatzschwierigkeiten. In den meisten nicht bäuerlichen Haushalten gibt es seit einigen Jahrzehnten jahraus, jahrein eine Palette verschiedenster Getränke. Die Abwechslung im Getränkeangebot kehrte auch in das Bauernhaus ein. Waren einst manche Weinbauern und -händler regelmäßige Mostkundschaften, ergänzen heute viele Mostbauern laufend ihren Getränkebedarf mit Wein. Damit trat selbst beim Bauern in seiner Einstellung zum eigenen Produkt eine Wandlung ein.